Beobachtungen im Koalitionsvertrag 2025
Der politische Herbst 2024 brachte Deutschland eine neue Koalition – und mit ihr ein Mammutwerk von 144 Seiten voller Absichtserklärungen, Kompromisse und politischer Visionen. Was verbirgt sich hinter diesem umfangreichen Dokument? Wir haben den Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD für euch unter die Lupe genommen und fragen: Was bedeutet das eigentlich für junge Menschen in Deutschland? Und wo verstecken sich möglicherweise Widersprüche, die in den kommenden Jahren zu Konflikten führen könnten?
Wir haben ihn am 10. April 2025 08:17 abgerufen und unter Koalitionsvertrag-2025.pdf abgelegt.
Was plant die neue Regierung für junge Menschen?
Die neue Bundesregierung hat junge Menschen offenbar nicht vergessen. Zwischen den Zeilen des Koalitionsvertrags finden sich zahlreiche Maßnahmen, die das Leben und die Zukunftschancen junger Menschen verbessern sollen.
Bildung stärken
Der Bildungsbereich erhält besondere Aufmerksamkeit – das ist in Zeiten schlechter PISA-Ergebnisse auch dringend nötig. Die Koalition will bereits bei den Kleinsten ansetzen: Alle Vierjährigen sollen künftig an einer verpflichtenden Sprach- und Entwicklungsdiagnostik teilnehmen. Ein frühes Erkennen von Förderbedarf kann tatsächlich Bildungskarrieren positiv beeinflussen.
Auch der Ganztagsausbau in Grundschulen geht weiter. Das Investitionsprogramm wird verlängert – eine gute Nachricht für berufstätige Eltern und Kinder, die von zusätzlicher Förderung profitieren können. Das Startchancen-Programm für Schulen in schwierigen sozialen Lagen soll ausgeweitet werden – ein wichtiger Schritt, um Bildungsgerechtigkeit zu verbessern.
Für den Übergang in den Beruf verspricht die Koalition eine bessere Berufsorientierung und Verzahnung verschiedener Maßnahmen. Ein besonders interessanter Punkt: Die Erzieherausbildung soll künftig auch dual angeboten werden – mit Ausbildungsvergütung statt Schulgeld.
Finanzielle Unterstützung
Studierende und Auszubildende kennen das Problem: Die Mieten steigen, aber das BAföG kommt nicht hinterher. Hier verspricht die Koalition konkrete Verbesserungen. Die Wohnkostenpauschale soll auf 440 Euro steigen – ein überfälliger Schritt angesichts der Mietpreise in Universitätsstädten. Der Grundbedarf soll schrittweise an das Grundsicherungsniveau angepasst werden.
Besonders spannend ist die Idee einer “WG-Garantie” für Studierende und Auszubildende. Was genau dahintersteckt, bleibt noch etwas vage, aber die Richtung stimmt: Bezahlbarer Wohnraum für junge Menschen in der Ausbildung.
Digitale Welt
Die Pandemie hat gezeigt, wie wichtig digitale Bildung ist – und wie groß der Nachholbedarf. Der DigitalPakt 2.0 soll die digitale Ausstattung von Schulen verbessern. Bedürftige Kinder sollen mit eigenen Endgeräten ausgestattet werden – eine wichtige Maßnahme für mehr digitale Teilhabe.
Die Koalition hat auch die Schattenseiten der Digitalisierung im Blick: Eine neue Strategie zum “Kinder- und Jugendschutz in der digitalen Welt” soll entwickelt werden. Die Forderung nach verpflichtenden Altersverifikationen bei Online-Angeboten zeigt, dass der Jugendschutz im Netz ernster genommen werden soll.
Gesundheit und Schutz
Die psychische Gesundheit junger Menschen hat sich in den letzten Jahren verschlechtert – ein Trend, den die Politik offenbar erkannt hat. Eine neue Strategie zur “Mentalen Gesundheit für junge Menschen” mit Fokus auf Prävention und Früherkennung psychischer Erkrankungen ist ein wichtiges Signal.
Beteiligung und Engagement
Demokratie lebt vom Mitmachen – und die Koalition will junge Menschen stärker einbinden. Die Demokratiebildung in Schulen soll gestärkt werden. Freiwilligendienste erhalten mehr Plätze und eine gesicherte Finanzierung.
Besonders interessant ist der geplante Kinder- und Jugendgipfel – ein neues Format, bei dem junge Menschen ihre Anliegen direkt artikulieren können. Der Kinder- und Jugendplan des Bundes soll um 10 Prozent wachsen – mehr Geld für die außerschulische Jugendarbeit.
Widersprüche im Koalitionsvertrag
So wohlklingend die Pläne auch sein mögen – in einem Koalitionsvertrag stecken immer auch Spannungsfelder und potenzielle Konflikte. Fünf Bereiche fallen besonders auf:
Klimaschutz versus Wirtschaftswachstum
“Wir stehen zu den deutschen und europäischen Klimazielen”, heißt es im Vertrag. Gleichzeitig wird ein “neues Wirtschaftswachstum” beschworen und die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie betont. Diese Ziele unter einen Hut zu bringen, dürfte eine der größten Herausforderungen der kommenden Jahre werden. Werden im Zweifelsfall die Klimaziele oder die Wirtschaftsinteressen Vorrang haben?
Bürokratieabbau versus neue Regulierungen
Die Koalition verspricht einen massiven Bürokratieabbau – eine Forderung, die in Deutschland stets populär ist. Gleichzeitig führt sie in vielen Bereichen neue Regeln und Standards ein. Dieses Spannungsfeld wird sich vermutlich durch die gesamte Legislaturperiode ziehen.
Sozialausgaben versus Haushaltskonsolidierung
Mehr Geld für BAföG, Freiwilligendienste und soziale Maßnahmen – aber gleichzeitig eine strenge Haushaltskonsolidierung? Diese Gleichung geht nur schwer auf. Es bleibt abzuwarten, welche Prioritäten die Koalition im Zweifel setzen wird.
Innovation versus traditionelle Industrien
Die Koalition möchte Start-ups und neue Technologien fördern, gleichzeitig aber auch traditionelle Industriezweige wie die Automobilbranche schützen. Diese Balance zu halten, wird eine Herausforderung darstellen – besonders wenn es um die Verteilung begrenzter Ressourcen geht.
Flexible Arbeitswelt versus Arbeitnehmerrechte
Mehr Flexibilität bei den Arbeitszeiten steht im Koalitionsvertrag neben dem Bekenntnis zu starken Arbeitnehmerrechten. Wo genau die Grenzen zwischen nötiger Flexibilität und dem Schutz von Arbeitnehmerinteressen gezogen werden, bleibt abzuwarten.
Der Koalitionsvertrag 2025 ist – wie jeder politische Kompromiss – ein Dokument voller Versprechungen, das aber auch Zielkonflikte enthält. Seine tatsächliche Wirkung wird sich erst in der politischen Praxis der kommenden Jahre zeigen. Wir werden diese Entwicklungen für euch beobachten und eure Meinung zu spezifischen Themen des Koalitionsvertrags einholen. Denn letztlich entscheidet nicht das Papier, sondern die Umsetzung darüber, ob die großen Worte auch zu spürbaren Verbesserungen im Alltag junger Menschen führen.
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